Jahres-Rundbrief 2023

Liebe Mitglieder,
gäbe es Wohnungen im Supermarkt, sagen wir mal so ähnlich wie Joghurt im Kühlregal, die wenigsten von uns hätten ein Wohnungsproblem. Anders als beim Verzicht auf Joghurt können wir allerdings das Wohnen nicht eben mal einige Wochen oder Monate verschieben – in einer Extremsituation droht die Obdachlosigkeit.
Die gute Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Wohnungsnotfälle im Amt für Soziales und Senioren der Stadt Heidelberg oder dem Verein Obdach e.V. kann nur in Einzelfällen helfen.
Wir haben also gute Gründe, warum wir uns im Mieterverein – neben einer guten Beratung unserer Mitglieder – für ausreichende und bezahlbare, für familiengerechte, barrierefreie, seniorengerechte, wie auch für passende Wohnungen für Singles oder Studierende einsetzen. Auch die Unterstützung unserer Mitglieder, die sich vielfältig wohnungspolitisch engagieren und für eine moderne und soziale Stadtentwicklung einsetzen, liegt uns sehr am Herzen.

Objektförderung statt Subjektförderung

Den aktuellen Anlass für diese etwas ausführ-liche wohnungspolitische Einleitung bietet die Bahnstadt in Heidelberg. Dort ist Vieles ge-lungen, aber die Höhe der Mieten, wie auch die schwache Begrünung oder die verkehrlichen Belange werden von uns kritisiert.
Uns ärgert es stets besonders, wenn eintritt, was wir schon lange befürchtet haben: Seit 2012 gab es für zehn Jahre für etwa 400 Mieterinnen und Mieter in der Bahnstadt Wohnraumförderung, die sogenannte „Subjektförderung“. Diese fließt zwar als Mietzuschuss in Form hoher Mieten in die Taschen von Investoren, hat die Mieter aber bisher entlastet. Fällt der Zuschuss weg, müssen sich die Mieterinnen und Mieter eine neue Wohnung suchen – und das auf einem extrem angespannten Wohnungsmarkt. In der Bahnstadt fällt der Zuschuss weg. Die Leute wurden nun schriftlich aufgefordert, sich um andere Wohnungen zu kümmern.
Wir treten für die Objektförderung ein: Bei der Objektförderung für den Bau von Wohnungen besteht eine künftige Sozialbindung, eine Be-legungsbindung, die sicherstellt, dass die Wohnungen an Leute vermietet werden, die sich teure Wohnungen nicht leisten können. Der Mieterverein ist hierbei für eine dauerhafte Sozialbindung und außerdem auch dafür, die Anzahl der Wohnungen in öffentlicher Hand zu steigern. Die GGH besitzt heute leider nur etwa 10% aller Wohnungen in Heidelberg und diese sind nur in geringem Umfang öffentlich gefördert.
Auch wenn es für die Bahnstadt zu spät kommt, begrüßen wir es sehr, dass die Stadt nun auch hier zur Objektförderung übergeht, und somit Mieten von 33% unter der ortsüblichen Neu-vermietungs¬miete möglich werden. Damit wird nicht die Gewinnmaximierung am Markt der Maßstab, sondern der gesellschaftliche Vergleich.
Natürlich setzen wir uns auch dafür ein, dass für die Mieterinnen und Mieter in der Bahnstadt eine sozialverträgliche, sozialerträgliche Lösung gefunden wird.

Wohnungsgemeinnützigkeit wieder einführen

Leider finden solche Vorschläge oft nicht die erforderlichen politischen Mehrheiten. Ein schlimmes Beispiel – alt und doch aktuell – ist die 1990 abgeschaffte Wohnungs-Gemein-nützigkeit. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wurde aufgehoben und betraf mehr als 1800 gemeinnützigen Wohnungsbau¬unter-nehmen. Diese genossen zuvor Steuer-privilegien, hatten dafür aber mieterfreundliche Pflichten.

  • Beschränkte Gewinnerzielung und Gewinnausschüttung
  • Nur Bau von Kleinwohnungen bis etwa 120m²
  • Bauverpflichtung: erwirtschaftete Überschüsse müssen reinvestiert werden
  • Vermögen und sonstige Mittel nicht frei verfügbar
  • Keine Verflechtungen (z.B. Beteiligungen) mit dem gewinnorientierten Baugewerbe

Die Wohnungsgemeinnützigkeit half bezahl-barem Wohnraum sicherzustellen und wurde später von der Fehlbelegungsabgabe flankiert.
Mit der Abschaffung der Wohnungsgemein-nützigkeit verloren die Unternehmen Steuer-privilegien, die Wohnungen ihre Mietpreis-bindung und einkommensschwache Mieter Wohnungen, die sie sich leisten konnten. Gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund (DMB) unterstützen wir den Plan von Teilen der Bundesregierung, die Wohnungsgemein-nützigkeit nach über 30 Jahren wieder ein-zuführen.Wohnen ist ein Menschenrecht und kein Spekulationsgut.

Kampagne „Mietenstopp“

Darüber hinaus nahmen wir auch wieder in Kooperation mit dem DGB an der Kampagne „Mietenstopp“ mit einem großen Informations-stand in der Hauptstraße teil.

Armutswoche

Im Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung unterstützten wir die Armutswoche in Koope-ration mit den Stadtwerken Heidelberg mit einem gemeinsamen Stand zur Beratung rund um Fragen zur Miete und zur Energie.

OB Wahlkampf

Natürlich haben wir uns in den OB-Wahlkampf eingemischt. Allerdings nicht mit der Empfeh-lung einer Person, sondern mit dem Anspruch, dass sich alle um Wohnungspolitik kümmern müssen. So konnten wir dazu beitragen, dass Wohnungspolitik eines der zentralen Themen wurde. Wir waren auch gut beraten, uns nicht an der allgemeinen Veranstaltungsinflation zu beteiligen, sondern uns mit unseren Fragen auf das Thema Wohnen zu konzentrieren.
Hier einige Themen und Fragen:

  • Heidelberger Konzept für aktives Baulandmanagement – zukunftsweisend?
  • Werden neue Finanzierungsinstrumente angewandt?
  • Welche modernen Beteiligungskonzepte der Bürgerbeteiligung sollen kommen?
  • Wie wird die Zweckentfremdung in Heidelberg geahndet – und wie viele Bußgelder sind schon eingegangen?
  • Gibt es „Leerstandsmanagement“?
  • Entscheidet sich das künftige Stadtoberhaupt für Subjektförderung oder Objektförderung?  
  • Sind Wien, Tübingen, Freiburg, Hamburg auch als gute Vorbilder für Heidelberg geeignet?  
  • Wie wurde die Chance (Niedrigzinsphase) genutzt, das städtische Vermögen zu mehren?
  • Würde Heidelberg die Bahnstadt mit Blick auf die Anforderungen an eine soziale Stadt wieder so planen und bauen (lassen)?
  • Wie sollen Genossenschaften und Wohn-projekte weiter gestärkt werden?
  • Wie wird der gemeinwohlorientierte Bedarf gesehen, um das Verhältnis von öffentlichem und privatem Wohnungsbestand neu zu justieren – Markt und Mietspiegel?
  • Wie sieht es mit der Wohnungsgemein-nützigkeit aus?
  • Gibt es für die großen Entwicklungsflächen Überlegungen für ein Demenzdorf? (Analog zu Hogewey, Holland)
  • Welche wohnungspolitische Kooperation mit der Region gibt es?

Innenansichten des Mietervereins

Wir sind froh, dass es nach gut zwei Jahren wieder einen Jahresrundbrief mit Informationen zum Mieterverein Heidelberg und Umgebung e.V. und zur Wohnungspolitik in unserer Region gibt.

Dank an Rechtsberatung und Geschäftsstelle

Unser Dank gilt zunächst den Rechtsberaterinnen und Rechtsberatern, die Sie erneut außerordentlich erfolgreich beraten haben, und den vier Kolleginnen in der Geschäftsstelle, die sich jederzeit um Sie gekümmert haben. Hier wurde Außerordentliches geleistet – in einem Jahr, in dem die Geschäftsführung seit Juli „im Notbetrieb“ ehrenamtlich übernommen werden musste, in einem Jahr mit großem Nachholbedarf und einer leider notwendigen zweiten Mitgliederversammlung zur Satzungsänderung und Beitragsanhebung, in einem Jahr, an dessen Ende die Umstellung auf ein modernes Buchungssystem stand, in einem Jahr mit OB-Wahlen und erneut steigenden Mitgliederzahlen. Für diese intensive und verlässliche Arbeit be-dankt sich der Vorstand im Namen aller Mit-glieder.
Wir schreiben unsere Erfolgsgeschichte fort.
Unser Dank gilt auch unseren Schreibkräften und Helferinnen im Hintergrund, die sich außer¬ordentlich engagieren, auch wenn sie nicht immer zu sehen sind.

Die Perspektive

Für die nächste Zeit haben wir uns viel vorgenommen. Natürlich wollen wir die von den Mitgliedern kommenden Anregungen und Anträge auf dem Deutschen Mietertag und im Mieterbund Baden-Württemberg e. V. disku-tieren und einbringen.In der Geschäftsstelle wollen wir uns auf den Weg machen: vom Aktenschrank zur elektronischen Akte. Wir wollen Buchführung, Be-richtswesen, Haushalts- und Finanzplanung modernisieren und neu aufstellen. Wie schon in der Vergangenheit, sind wir dabei dem Mieterbund Baden-Württemberg und dem Deutschen Mieterbund (DMB) für ihre große Unterstützung dankbar.

Gute Arbeit zu gutem Preis

Der Jahresbeitrag beträgt 74 Euro, der Sozial-beitrag 37 Euro, Studierende können für 25 Euro Schnuppermitglied werden und für Mieterinnen und Mieter von Gewerberäumen beträgt der Jahresbeitrag 148 Euro (dies sind Beiträge, die deutlich unter den Beiträgen anderer Mieter-vereine liegen). Im Frühjahr wurde oder wird bei den meisten Mitgliedern der Jahresbeitrag 2023 durch Lastschrift abgebucht. Als Beleg für das Finanzamt gilt ihr Kontoauszug. Andernfalls kam die Jahresrechnung für 2023 mit der Post – bitte prüfen Sie, ob Sie nicht auch einfacher per Lastschrift bezahlen wollen.Bei Vorlage eines SGB II- oder SGB XII-Bescheides oder eines Bafög-Bescheides können Sie den Sozialbeitrag in Anspruch nehmen.

Wir danken Ihnen, liebe Mitglieder, für Ihre Unterstützung und Treue – die wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg des Mietervereins und wünschen Ihnen alles Gute!

Heidelberg im Februar 2023
Der Vorstand
Kirsten Pistel, Klaus Stütz und Stephen Dörr
 
 
Lothar Binding
Vorsitzender